Jacques Rogge, der Operateur der Ringe

Als achter IOC-Präsident war Jacques Rogge - hager, ernst, bescheiden, uneitel - der Gegenpol zu seinem umtriebigen Vorgänger Juan Antonio Samaranch. Als Rogge am 16. Juli 2001 in Moskau, wo auch Samaranch gewählt wurde, die Wahl gewann, spielten viele Kommentatoren auf seinen Beruf an. Der Chirurg, so hieß es, müsse dem IOC das Korruptions-Geschwür herausschneiden, um es zu einer glaubwürdigen, transparent operierenden Institution zu machen. Kurz: Zum Gegenteil jenes verschwenderischen, undurchsichtigen Ringe-Klubs aus der "Eine Hand wäscht die andere"-Ära des Katalanen Samaranch. Hat Rogge das geschafft?

Die Sponsoren, die dem Skandal-IOC mit dem Rückzug drohten, sind jedenfalls längst wieder da oder durch andere Big Spender ersetzt worden. Das Geschäft brummt. Die Wirtschaftskrise - und damit auch den drohenden Einbruch der Fernseheinnahmen - hat Rogges IOC nicht nur überbrückt, sondern auch mit neuen, langfristigen TV-Verträgen in Rekordhöhe krisenresistent nachgelegt. Die Rücklagen wuchsen seit 2001 von 90 Millionen Dollar um das Zehnfache. Mit dieser Kriegskasse könnte das IOC auch einen Ausfall der Olympischen Spiele verkraften.

Die Olympische Programm, speziell die aus allen Nähten platzenden Sommerspiele, hat Rogge zu modernisieren versucht und zugleich die Evolution eingedämmt. Eine Revolution wurde nicht daraus. Nach dem Ausschluss der Ringer wurde das IOC nicht nur vom Widerspruch der Traditionalisten, sondern auch von massiver Gegenwehr in Form einer ungewöhnlichen russisch-amerikanisch-iranischen Allianz überrascht.

Hinterlassen hat Rogge jedenfalls eine neue, nicht unumstrittene Veranstaltung: Die Olympische Jugendspiele, zum ersten Mal ausgetragen 2010 in Singapur (Sommer) und 2012 in Innsbruck (Winter).

Wie Rogge selbst sein Vermächtnis sieht, hat er in einem Interview mit AP erklärt:
I hope that people with time will consider that I did a good job for the IOC. That's what you legitimately want to be remembered for. I received an IOC in good shape from Samaranch. And I believe I will leave an IOC in good shape to my successor. He will have to develop the IOC further. I think most of it will not change but will have to be adapted.
Mit 59 Jahren wurde Rogge IOC-Präsident, mit 71 muss er nach zwei Amtsperioden - acht und vier Jahre lang - abtreten. Neben dem Sport hat der ehemalige Segler (dreifacher Olympiateilnehmer 1968, 1972 und 1976) und selbst erklärte Familienmensch noch eine weitere Leidenschaft: Zusammen mit seiner Frau sammelt Rogge Moderne Kunst.