Thomas Bach wirft den Hut in den Ring

Artikel
09.05.2013
Thomas Bach 2014 in Doha, Katar.
Quelle: Pic by Mohan, Doha Stadium Plus Quatar, CC BY 2.0
Seit wie viel Jahren gilt Thomas Bach schon als Kandidat für die IOC-Präsidentschaft? Seit gefühlten Ewigkeiten. Nun hat der Fecht-Olympiasieger von 1976 (Florett Mannschaft) offiziell den Hut in den Ring geworfen und seine Kandidatur für die Nachfolge von Jacques Rogge erklärt.
Gestern habe ich zunächst IOC-Präsident Jacques Rogge, anschließend die IOC-Mitglieder und heute die Mitgliedsorganisationen des DOSB von meiner Absicht informiert, im Juni meine Kandidatur für die Wahl zum IOC-Präsidenten einzureichen. Vom leistungssportlichen Training in der Kindheit über den Olympiasieg in Montreal bis zu meinen heutigen Aufgaben als DOSB-Präsident habe ich einen großen Teil meines Lebens dem Olympischen Sport gewidmet. Bei meinen vielfältigen Tätigkeiten in der Olympischen Bewegung ist mir bewusst geworden, welch große Aufgabe der IOC-Präsident zu leisten hat. Dieses Wissen macht mich demütig. Zugleich lassen mich meine im Ehrenamt und im beruflichen Leben in den Bereichen Sport, Wirtschaft, Politik, Recht und Gesellschaft gesammelten Führungs- und Managementerfahrungen auf nationaler und internationaler Ebene zu der Überzeugung kommen, für die Aufgabe des IOC-Präsidenten vorbereitet zu sein. Viele Kolleginnen und Kollegen im IOC und aus dem deutschen Sport haben mich in den vergangenen Monaten darin bestärkt.

Wenn drei Monate vor dem Beginn der IOC-Session der Zeitpunkt gekommen ist, die Kandidatur offiziell einzureichen, werde ich den IOC-Mitgliedern Ideen zu einem Dialog übermitteln, wie die Olympische Bewegung die anstehenden Herausforderungen meistern kann. Meine Überlegungen dazu stehen unter dem Motto "Einheit in Vielfalt", welches die Universalität und Solidarität der Olympischen Bewegung gleichermaßen beschreibt.DOSB-Mitteilung
Ein Motto hat der Wirtschaftsanwalt aus Tauberbischofsheim also schon. Anders als im Falle seines Vorgängers Rogge, der dem IOC nach der von Kommerzialisierung und Skandalen geprägten Samaranch-Ära eine neue Kultur beibringen wollte, weiß man noch nicht, wofür Bach steht.

Fest steht hingegen, dass der jugendlich wirkende 59-Jährige der erste erklärte Anwärter auf das Amt ist; sowohl was die Reihenfolge angeht, als auch die Chancen. Nun müssen seine potentiellen Rivalen - am häufigsten genannt wird der Puerto-Ricaner Richard Carrion - erst einmal nachziehen; Zeit ist noch bis 10. Juni. Anders als der IOC-Vizepräsident Bach gehört Carrion jedoch aktuell nicht zur IOC-Exekutive; er schied 2012 turnusgemäß aus. Ein AP-Bericht ("Bach ... is considered the front-runner in the race to succeed Jacques Rogge") nennt außerdem Ng Ser Miang aus Singapur, ebenfalls IOC-Vize, sowie Sergei Bubka (Ukraine) und Amateurbox-Chef C.K. Wu (Taiwan). Keiner von ihnen dürfte eine realistische Chance haben.

Bach wäre der erste Deutsche als IOC-Präsident. Willi Daume, der wichtigste deutsche Sportfunktionär in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts, war DSB- und NOK-Präsident, lange bevor beide Verbände mit Bach an der Spitze zum DOSB verschmolzen wurden. Der 1993 verstorbene Daume, ein früher Förderer Bachs, wäre am 24. Mai 100 Jahre alt geworden. Auch Daume wollte IOC-Präsident werden. Weil die Bundesrepublik die Olympischen Spiele in Moskau boykottierte, war er 1980 chancenlos gegen Juan Antonio Samaranch.

Bach, der als gewiefter Taktiker und exzellenter Netzwerker gilt, hat solche Stolpersteine stets zu umgehen gewusst. Zudem pflegt er beste Kontakte, etwa in die arabische Welt. Aus dem Direktor für internationale Beziehungen bei Adidas in den 1980ern ist ein Lobbyist mit vielfältigen Lebenssachverhalten geworden. So räumen ihm nicht nur Claqueure, sondern auch Kritiker in den Medien gute Chancen ein:
Scheich Ahmed Al-Sabah gilt als Königsmacher im Weltsport. Enorm einflussreich ist der IOC-Mann als Chef der Verbände der nationalen Komitees weltweit (ANOC) und in Asien (OCA) - und ebenso zwielichtig beleumundet. Als jüngster Streich Al-Sabahs gilt die Inthronisierung des neuen Fußballchefs in Asien, Scheich Salman Bin Ibrahim Al Khalifa (Bahrain). Dass der sonst so reservierte Taktiker Bach seine Kandidatur nun als Erster kundtat, wird in IOC-Kreisen als starkes Signal verstanden, dass er Al-Sabahs Unterstützung hat.

Bach ist mit Kuwait beruflich eng vernetzt, als Aufsichtsratschef des von kuwaitischen Investoren kontrollierten Maschinenkonzerns Weinig AG ebenso wie als Chef der Ghorfa, der deutsch-arabischen Handelskammer. Das macht den Deutschen fast zum natürlichen Kandidaten für Emire und Scheichs. Im Zuge der Siemens-Affäre wurde 2008 publik, wie der Konzernberater Bach sein Bemühen, Kuwait als Großinvestor für ein Projekt zu gewinnen, an den "Freund und Kollege, Energieminister Scheich Ahmed Al-Sabah" knüpfte.Thomas Kistner in der Süddeutschen
Was ein kluger Kopf ist, der formuliert das natürlich etwas anders:
Neben seinem Beruf bekleidete er viele Ehrenämter im IOC. Er ist derzeit nicht nur dessen einflussreichster Vizepräsident, sondern leitet unter anderem die Disziplinarkommission, die sich mit den Doping-Fällen herumschlägt. Trotzdem glaubt Bach nach wie vor an das Gute im Athleten – sowie an den Nutzen einer liberalen Wirtschaftsordnung. Als Vorsitzender der Deutsch-Arabischen Handelsgesellschaft pflegt der FDP-Mann beste Beziehungen in den Nahen Osten. Das wird ihm vielleicht Stimmen einbringen – und abermals den Vorwurf, zwischen Ehrenamt und Beruf nicht sauber zu trennen. Die Compliance-Abteilung von Siemens hatte allerdings an seiner Beratertätigkeit für den Konzern zu dessen Schwarzgeldzeiten nichts auszusetzen. Für den Fall der Wahl will Bach die meisten beruflichen Aufgaben abgeben.Anno Hecker in der FAZ (nur Print)
Robert Ide vom Tagesspiegel ist mit Bach Zug gefahren und hat schon ein Portrait des schwer durchschaubaren Juristen bereit liegen:
Autonom ist Bach seit jeher. Er musste schon als Junge lernen, ein eigener Herr zu sein. Im Alter von 14 Jahren verlor er seinen herzkranken Vater. Heute ist sein Auto sein fahrendes Büro. Das Handy verbindet ihn mit seinen Helfertruppen – im IOC, beim DOSB, in seiner Kanzlei. Dort sitzen viele Menschen, die täglich hunderte Mails, die an ihn gerichtet sind, filtern, verteilen, abarbeiten. "Ich konzentriere mich auf das, was strategisch wichtig ist", sagt Bach; es ist ein Moment seltener Offenheit. "Alles andere erledigt der Apparat."
Bach gilt als smart genug, nur anzutreten, wenn er auch glaubt, gewinnen zu können. Herausstellen wird sich das am 10. September, wenn die 125. IOC-Session in Buenos Aires zur Wahl des zehnten IOC-Präsidenten seit 1894 schreitet. Die FAZ fragt schon mal in Ihrem Profil:
Nach dem deutschen Papst nun ein deutscher Präsident des Internationalen Olympischen Komitees (IOC)?
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