Olympia der Frauen?
Die Olympischen Spiele in London bedeuteten einen "starken Schub für die Geschlechter-Gleichheit", betonte IOC-Präsident Jacques Rogge in seiner Eröffnungsrede. Tatsächlich: Nachdem Saudi Arabien sich doch noch überreden ließ, zwei Frauen in die Wettkämpfe zu schicken, waren erstmals alle NOKs mit gemischten Mannschaften vertreten.
Ehe die arabische Judoka Wodjan Shaherkani antreten durfte, mussten sich Judo-Föderation, Teamleitung der Saudis und ihr treusorgender Vater allerdings noch über ihre Teilnahme mit Hidschab einigen. 800-m-Läuferin Sarah Attar, die auch einen amerikanischen Pass besitzt, in den USA studiert und an der kalifornischen Pepperdine University auch ohne Kopfbedeckung läuft, startete die Woche darauf in einem Ganzkörperanzug mit Kapuze. Beide schieden sofort aus, was nicht gerade für die Chancengleichheit muslimischer Frauen spricht:
Geht es um die Rolle der Frau bei Olympia, geht es auch immer darum, wie Männer - vor allem: Funktionäre und Medien (die meisten Sportfunktionäre und Sportjournalisten sind Männer) - auf Frauen im Sport schauen. Die öffentliche Meinung neigt dann dazu, gewichthebende Frauen oder eben Boxerinnen für "unästhetisch" zu halten.
Bei den Olympischen Spielen 1928 in Amsterdam wurde der 800-m-Lauf der Frauen eingeführt und sofort wieder für die nächsten 32 Jahre abgeschafft, weil die Leichtathletik-Funktionäre den Anblick einer erschöpften Siegerin, der Deutschen Lina Radke, nicht ertragen mochten. 60 Jahre später sind manche Funktionäre gedanklich immer noch nicht weiter.
Umgekehrt herrscht helle Aufregung, wenn eine Frau wie ein Mann auftritt. Der Fall der südafrikanischen 800-m-Läuferin Caster Semenya, die nach ihrem Weltmeister-Titel 2009 eine öffentliche Debatte über ihre Geschlechtszugehörigkeit ertragen musste, sorgte dafür, dass das IOC den entwürdigenden, 1999 abgeschafften Sex-Test, in neuer Form wieder einführte. Die Formel lautet: Testosteron statt Chromosom. Der angesehene Sportmediziner und -funktionär Arne Ljungqvist, selbst ein Gegner der ursprünglichen Leibes-Visitation, hält den neuen Test für wirksam und zulässig.
Ist das Sexismus? Die Nachrichten-Agentur Reuters befand: nein, und brachte ein sehr, sehr langes Stück mit dem sprechenden Titel: Women wear Bikini's with pride. Zusammengefasst: Wenn die knappen Klamotten zum Lifestyle gehören und wenn die Frauen ihre braungebrannten Bodies gerne zeigen, dann ist das okay. Zum Kontrast sei hier auf einen Emma-Artikel aus dem letzten Jahr mit dem ebenfalls sprechenden Titel Sportlerinnen oder Pornostars verwiesen, der Beach Volleyball auf "Stufe 2 der Sporno-Skala" verortet; gerechterweise soll allerdings angemerkt werden, dass die dort lang und breit beschriebene Lingerie Football League nicht zum olympischen Programm zählt.
Unter Werbern gilt es als ausgemachte Sache, dass sportive Frauen nur dann zu vermarkten sind, wenn sie gut aussehen und auch noch erfolgreich sind. Wobei Letzteres manchmal auch nicht so wichtig ist.
Können Frauen bei Olympia gewinnen? Ist Sport sexistisch? Der Guardian handelte sich nach einem Interview, das mit diesen beiden Fragen überschrieben war, einen pointierten Leserbrief ein:
Ehe die arabische Judoka Wodjan Shaherkani antreten durfte, mussten sich Judo-Föderation, Teamleitung der Saudis und ihr treusorgender Vater allerdings noch über ihre Teilnahme mit Hidschab einigen. 800-m-Läuferin Sarah Attar, die auch einen amerikanischen Pass besitzt, in den USA studiert und an der kalifornischen Pepperdine University auch ohne Kopfbedeckung läuft, startete die Woche darauf in einem Ganzkörperanzug mit Kapuze. Beide schieden sofort aus, was nicht gerade für die Chancengleichheit muslimischer Frauen spricht:
Problematisch ist, dass die neue Weiblichkeit mehr an der Präsenz als am Niveau der Sportlerinnen festgemacht wird. Das IOC erteilte etliche Wildcards, damit Frauen als sportliche Botschafterinnen ihr Land repräsentieren können, ohne die sportlichen Qualifikationskriterien erfüllen zu müssen. Die internationale Presse begleitete dies mit unkritischer Begeisterung für die Außenseiter.Manfred Sing, Zeit OnlineAuch alle Sportarten waren in London zum ersten Mal mit beiden Geschlechtern besetzt. Die erste Olympiasiegerin im Boxen hieß Nicola Adams, 29 Jahre, aus Leeds. Um Platz für die Boxerinnen zu schaffen, mussten die Gewichtsklassen der Männer von elf auf zehn reduziert und einige Limits entsprechend angepasst werden. Die Frauen boxten nur in drei Klassen: Fliegen-, Leicht- und Mittelgewicht. Echte Parität herrschte im Sportprogramm also nicht. Von den insgesamt 302 olympischen Wettbewerben blieb die Mehrzahl Männern vorbehalten.
Geht es um die Rolle der Frau bei Olympia, geht es auch immer darum, wie Männer - vor allem: Funktionäre und Medien (die meisten Sportfunktionäre und Sportjournalisten sind Männer) - auf Frauen im Sport schauen. Die öffentliche Meinung neigt dann dazu, gewichthebende Frauen oder eben Boxerinnen für "unästhetisch" zu halten.
Bei den Olympischen Spielen 1928 in Amsterdam wurde der 800-m-Lauf der Frauen eingeführt und sofort wieder für die nächsten 32 Jahre abgeschafft, weil die Leichtathletik-Funktionäre den Anblick einer erschöpften Siegerin, der Deutschen Lina Radke, nicht ertragen mochten. 60 Jahre später sind manche Funktionäre gedanklich immer noch nicht weiter.
Officials of the International Amateur Boxing Association, noted fashion mavens, had a brilliant idea over the past year, a fistic version of “Project Runway.” They suggested that women try wearing skirts in competition, urging pleats to feminize the punches. The man in charge of the association — they are always men — said he had received complaints that spectators could not tell women from men beneath the protective headgear.Jere Longman, NY TimesAls typisch weiblich gelten Sportarten wie Rhythmische Sportgymnastik oder Synchronschwimmen, die auch nur Frauen vorbehalten sind. Wo bleiben eigentlich die Männer-Rechtlicher, die in solchen Sportarten mehr Testosteron-Präsenz fordern? Oder darf's das nur im Kino geben?
Umgekehrt herrscht helle Aufregung, wenn eine Frau wie ein Mann auftritt. Der Fall der südafrikanischen 800-m-Läuferin Caster Semenya, die nach ihrem Weltmeister-Titel 2009 eine öffentliche Debatte über ihre Geschlechtszugehörigkeit ertragen musste, sorgte dafür, dass das IOC den entwürdigenden, 1999 abgeschafften Sex-Test, in neuer Form wieder einführte. Die Formel lautet: Testosteron statt Chromosom. Der angesehene Sportmediziner und -funktionär Arne Ljungqvist, selbst ein Gegner der ursprünglichen Leibes-Visitation, hält den neuen Test für wirksam und zulässig.
The new rules, announced last month, disqualify athletes from women's events if they have testosterone levels in the normal male range, which is 7 to 30 nanomoles per liter of blood. Because the top range for women is slightly below 3 nanomoles per liter, such levels could give athletes an unfair advantage that officials have a duty to root out.LA TimesKritik kommt hingegen aus der Gender-Forschung. Weder die Konzentration der neuen Methode auf hyperandrogene Werte noch der Entscheidungprozess seien akzeptabel; Frauen würden weiterhin schlechter gestellt als Männer, argumentieren drei US-Wissenschaftlerinnen:
The answer to Caster Semenya's case depends on the values that are deemed important in elite sports and competition. Elite sport can value diversity and ensure that all women, including those with intersex traits, have equal opportunity to participate in sports, that they are treated humanely, that they are not forced to undergo what may be unnecessary medical treatment, and that they are not made ineligible based on advantages they may not even have. Performance in sports is both a “celebration of and a challenge posed by our embodiment” (Murray 2009, 236). All bodies, to one degree or another, present functional limitations; “sports provide an opportunity to live fully in those bodies, to test their capabilities and limits, and to integrate them with our will, intellect, and character” (Murray 2009, 237). We need to move beyond policing biologically natural bodies and the resultant exceptional scrutiny of extraordinary women.Eindeutig sind die Geschlechter-Verhältnisse hingegen, wenn nackte Athletinnen mit Sportgerät und Stöckelschuh im Playboy abgebildet werden. Auch bei den Beach Volleyballerinnen schaut mann gerne hin: Bis zum März dieses Jahres schrieb der Dachverband FIVB den Frauen ausdrücklich das Tragen von Bikinis vor, so dass die Fotografen ihre Teleobjektive für die gern genommenen Knackarsch-hinter-Stofffetzen-Fotos ausrichten durften. Das Schmudelwetter in London sorgte dann zum Ärger der britischen Tabloids dafür, dass einige Beach-Girls zumindest langärmelige Shirts überstreifen mussten.
Ist das Sexismus? Die Nachrichten-Agentur Reuters befand: nein, und brachte ein sehr, sehr langes Stück mit dem sprechenden Titel: Women wear Bikini's with pride. Zusammengefasst: Wenn die knappen Klamotten zum Lifestyle gehören und wenn die Frauen ihre braungebrannten Bodies gerne zeigen, dann ist das okay. Zum Kontrast sei hier auf einen Emma-Artikel aus dem letzten Jahr mit dem ebenfalls sprechenden Titel Sportlerinnen oder Pornostars verwiesen, der Beach Volleyball auf "Stufe 2 der Sporno-Skala" verortet; gerechterweise soll allerdings angemerkt werden, dass die dort lang und breit beschriebene Lingerie Football League nicht zum olympischen Programm zählt.
Unter Werbern gilt es als ausgemachte Sache, dass sportive Frauen nur dann zu vermarkten sind, wenn sie gut aussehen und auch noch erfolgreich sind. Wobei Letzteres manchmal auch nicht so wichtig ist.
“It’s an interesting time for women,” said Janice Forsyth, director of the International Centre for Olympic Studies at the University of Western Ontario. “The more they become involved in sport, the more it seems people feel the need to market female sexuality. It’s a tough bind for women — they have to look good and be attractive to the public, presumably a heterosexual male public, and be good athletes. That same standard doesn’t necessarily apply to men.”NY TimesNeu ist das im Übrigen nicht. Schon 1995 druckte die Zeit einen verdrucksten Beitrag über die Gymnastin Magdalena Brzesga und eine andere "ansehnliche junge Dame" namens Franziska van Almsick. Ausgiebig zu Wort kamen dort deren Manager Klaus Kärcher und Werner Köster , die über "Persönlichkeit" und "Charisma" ihrer Werbe-Stars philosophieren durfen. Gemeint war aber wohl das Lolita-Image, dass die beiden jungen Frauen für die Medien noch attraktiver machte.
Können Frauen bei Olympia gewinnen? Ist Sport sexistisch? Der Guardian handelte sich nach einem Interview, das mit diesen beiden Fragen überschrieben war, einen pointierten Leserbrief ein:
There's "the football" and "the women's football"; there's the Benny Hill theme tune played in the stadium for the beach volleyball; and if aerodynamics are so important, why do male runners wear long shorts and female runners wear knickers? If a named male athlete doesn't get a medal then "maybe we'll get a medal in the women's".Trotzdem: Die Fortschritte sind groß, der Weg der Frauen in den Sport war zwar ein langer und beschwerlicher, aber er war nicht umsonst. Wer weiß, vielleicht wird sogar der nächste IOC-Präsident eine Präsidentin: Die Marokkanerin Nawal El Moutawakel, die 1984 als erste muslimische Frau und als erste Afrikanerin Olympiasiegerin werden konnte, und zwar über 400 m Hürden, gilt nicht nur als Türöffnerin der Gleichberechtigung, sondern auch als Anwärterin für die Nachfolge von Jacques Rogge. Zur Vize-Präsidentin ließ sich die 50-Jährige in London bereits erfolgreich wählen.
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