Deutsche Bilanz: Schlitten fahren mit der Konkurrenz und viel Zwiespalt
Vom Menschenrechtsproblemen überschattet, vom politischen Subtext koloriert, waren die Olympischen Winterspiele in Peking ein zwiespältiger Höhepunkt für ein deutsches Team, das doch zu allererst seine nur alle vier Jahre wiederkehrenden sportlichen Chancen nutzen wollte. Das schien am Ende recht gut gelungen. Zwar vermochte die Delegation des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB) nicht die Rekord-Ausbeute von Pyeongchang 2018 zu erreichen; unter dem Strich stand dennoch wieder ein zweiter Platz in der Medaillenwertung hinter den weiter enteilten Norwegern.
Schaute man genauer hin, zeigte sich jedoch ein Einbruch in der Leistungsbreite. Letztlich war der Goldrahmen fast im Alleingang der Schlittensport-Abteilung zu verdanken. In neun von zehn Wettbewerben im Rennschlitten, Skeleton und Bob verließen die deutschen Starter die Eisrinne siegreich. Insgesamt trugen sie zu den insgesamt 27 deutschen Medaillen 16 bei. Allein in der nur für Frauen neu eingeführten Disziplin Monobob gab es keine deutsche Medaille; mit den beiden Siegen im Skeleton konnte vorab niemand rechnen. Doppel-Olympiasieger Francesco Friedrich erfuhr sich einen Platz unter den erfolgreichsten deutschen Winter-Olympioniken aller Zeiten.
Hohe Medaillenrendite für teuren Schlittensport
Will sagen: Die hohen Investitionen in den Schlittensport haben sich rentiert. Kein anderes Land vefügt über so viele Bahnen wie Deutschland - auch wenn es aktuell nur noch drei sind; aber der Wiederaufbau der von einem Unwetter im Juli 2021 teilweise zerstörten Bahn am Königssee bekam durch die Pekinger Erfolge sicher neues Momentum. Kein anderes Land in der Welt investiert zudem so viel Geld in Ingenieurskunst; das Institut für Forschung und Entwicklung von Sportgeräten, das die High-Tech-Schlitten baut, ist noch ein Erbe des DDR-Sports.
Setzt man die deutsche Brille einen Moment ab, so muss man wohl bezweifeln, dass diese nie dagewesene teutonische Dominanz, dieses Schlitten fahren mit der Konkurrenz, anderswo auf Gegenliebe stößt. Kann das gut sein für die Universalität dieser Sportarten, bei denen es ähnlich wie in der Formel Eins in hohem Maße aufs Material ankommt? Kein Wunder, dass der Internationale Rodel-Verband (FIL) Pläne für einen Einheitsschlitten schmiedet, der im Monobob bereits Realität ist.
DOSB: Anpacken, was bisher versäumt wurde
Aber auch in Deutschland braucht das viele (Steuer-) Geld, das in den olympischen Spitzensport investiert wird, eine gesellschaftliche Rechtfertigung. Die olympischen Sportorganisationen verfügen jedoch hierzulande über keinen guten Ruf; der IOC-Präsident, wenngleich selbst ein Deutscher, bekommt vor allem schlechte Presse. Der DOSB wiederum war vor allem mit sich selbst beschäftigt und wechselte kurz vor Winter-Olympia noch die Pferde.
Ein neuer DOSB-Präsident - Thomas Weikert - und eine neue Geschäftsführung müssen nun anpacken, was bisher versäumt wurde: den Geldzufluss in ein tragfähiges Förderungskonzept zu gießen und eine deutsche Olympiabewerbung nach vorne zu bringen, die wenigstens im eigenen Land Zustimmung erfährt. Wir erinnern uns: Auch München zählte zu den Bewerbern für 2022, musste aber nach einem negativen Volksentscheid aufgeben. Ein neuer deutscher Bewerbungsversuch ist laut Weikert frühestens 2030, eher später denkbar.
Licht und Schatten im deutschen Team
Olympische Erfolge sorgen da immer für gute Stimmung, zumindest kurzfristig. Auch die nordischen Skisportler trugen da ihr Scherflein bei. War das Gold von Vinzenz Geiger in der Kombination erwartbar, so kam der Sieg der Langläuferinnen Katharina Hennig und Victoria Carl im Teamsprint - plus Silber für die Frauen-Staffel - gänzlich unverhofft.
Die Corona-Quarantäne-Fälle von Eric Frenzel und Terence Weber verhagelten den Kombinierern, vier Jahre zuvor noch mit drei Siegen in drei Wettbewerben, die erhoffte Bilanz; sie hielten sich dennoch gut mit Silber im Team. Die Skispringer hatten ihre liebe Mühe in China und blieben mit Silber und zwei Mal Bronze unter den eigenen Ansprüchen; in Erinnerung bleibt aber vor allem der Disqualifikations-Skandal um die Anzüge von fünf Springerinnen, darunter auch Katharina Althaus, im Teamspringen.
Im Biathlon glänzte nur Denise Herrmann mit Einzel-Gold und Staffel-Silber - die Männer rannten vergeblich einem Podiumsplatz hinterher. Die vor allem aus Bayern rekrutierten alpinen Skisportler schafften zum Schluss wenigstens eine Silbermedaille im Teamwettbewerb - bis dahin fielen die Ergebnisse fast so schlecht aus wie die Werte von Markus Söders CSU bei der letzten Bundestagswahl.
Eisschnelllaufen und Shorttrack sind am Nullpunkt, und mangels Nachwuchs ist kaum Hoffnung im Sicht, so dass Claudia Pechstein mit fast 50 Jahren noch einmal ran durfte. Aber auch in den jungen Eventsportarten - deren Eingliederung die Zukunft der Olympischen Winterspiele sichern soll - liefen, sprangen und flogen die deutschen Teilnehmer hinterher.
Nichts zu holen gab es im Eiskunstlaufen. Nach dem Pyeongchang-Gold von Aljona Savchenko/Bruno Massot schafften Minerva Hase und der von einer Corona-Quarantäne geschwächte Nolan Seegert nur Platz 16 im Paarlauf. Im Eishockey träumten die deutschen Männer von Gold und wurden Zehnte, während die Frauen sich gar nicht qualifiziert hatten. Im Curling war Deutschland überhaupt nicht dabei.
Unter dem Strich war denn auch die deutsche Medaillenausbeute niedriger als vier Jahre zuvor: 12 statt 14 Mal Gold und insgesamt 27 statt 31 Medaillen, obwohl das olympische Programm in Peking um sieben Wettbewerbe erweitert wurde. Auch die Russen, die nach dem Dopingskandal 2014 erneut ohne eigene Flagge und Hymne antreten mussten, lagen in der Gesamtzahl der Medaillen mit 31 vor den Deutschen. Norwegen hingegen verteidigte nicht nur seinen Spitzenplatz als olympische Wintersport-Nation Nummer eins, sondern schaffte sogar ein Rekordergebnis mit 16 goldenen, acht silbernen und 13 bronzenen Medaillen.
Schaute man genauer hin, zeigte sich jedoch ein Einbruch in der Leistungsbreite. Letztlich war der Goldrahmen fast im Alleingang der Schlittensport-Abteilung zu verdanken. In neun von zehn Wettbewerben im Rennschlitten, Skeleton und Bob verließen die deutschen Starter die Eisrinne siegreich. Insgesamt trugen sie zu den insgesamt 27 deutschen Medaillen 16 bei. Allein in der nur für Frauen neu eingeführten Disziplin Monobob gab es keine deutsche Medaille; mit den beiden Siegen im Skeleton konnte vorab niemand rechnen. Doppel-Olympiasieger Francesco Friedrich erfuhr sich einen Platz unter den erfolgreichsten deutschen Winter-Olympioniken aller Zeiten.
Hohe Medaillenrendite für teuren Schlittensport
Will sagen: Die hohen Investitionen in den Schlittensport haben sich rentiert. Kein anderes Land vefügt über so viele Bahnen wie Deutschland - auch wenn es aktuell nur noch drei sind; aber der Wiederaufbau der von einem Unwetter im Juli 2021 teilweise zerstörten Bahn am Königssee bekam durch die Pekinger Erfolge sicher neues Momentum. Kein anderes Land in der Welt investiert zudem so viel Geld in Ingenieurskunst; das Institut für Forschung und Entwicklung von Sportgeräten, das die High-Tech-Schlitten baut, ist noch ein Erbe des DDR-Sports.
Setzt man die deutsche Brille einen Moment ab, so muss man wohl bezweifeln, dass diese nie dagewesene teutonische Dominanz, dieses Schlitten fahren mit der Konkurrenz, anderswo auf Gegenliebe stößt. Kann das gut sein für die Universalität dieser Sportarten, bei denen es ähnlich wie in der Formel Eins in hohem Maße aufs Material ankommt? Kein Wunder, dass der Internationale Rodel-Verband (FIL) Pläne für einen Einheitsschlitten schmiedet, der im Monobob bereits Realität ist.
DOSB: Anpacken, was bisher versäumt wurde
Aber auch in Deutschland braucht das viele (Steuer-) Geld, das in den olympischen Spitzensport investiert wird, eine gesellschaftliche Rechtfertigung. Die olympischen Sportorganisationen verfügen jedoch hierzulande über keinen guten Ruf; der IOC-Präsident, wenngleich selbst ein Deutscher, bekommt vor allem schlechte Presse. Der DOSB wiederum war vor allem mit sich selbst beschäftigt und wechselte kurz vor Winter-Olympia noch die Pferde.
Ein neuer DOSB-Präsident - Thomas Weikert - und eine neue Geschäftsführung müssen nun anpacken, was bisher versäumt wurde: den Geldzufluss in ein tragfähiges Förderungskonzept zu gießen und eine deutsche Olympiabewerbung nach vorne zu bringen, die wenigstens im eigenen Land Zustimmung erfährt. Wir erinnern uns: Auch München zählte zu den Bewerbern für 2022, musste aber nach einem negativen Volksentscheid aufgeben. Ein neuer deutscher Bewerbungsversuch ist laut Weikert frühestens 2030, eher später denkbar.
Licht und Schatten im deutschen Team
Olympische Erfolge sorgen da immer für gute Stimmung, zumindest kurzfristig. Auch die nordischen Skisportler trugen da ihr Scherflein bei. War das Gold von Vinzenz Geiger in der Kombination erwartbar, so kam der Sieg der Langläuferinnen Katharina Hennig und Victoria Carl im Teamsprint - plus Silber für die Frauen-Staffel - gänzlich unverhofft.
Die Corona-Quarantäne-Fälle von Eric Frenzel und Terence Weber verhagelten den Kombinierern, vier Jahre zuvor noch mit drei Siegen in drei Wettbewerben, die erhoffte Bilanz; sie hielten sich dennoch gut mit Silber im Team. Die Skispringer hatten ihre liebe Mühe in China und blieben mit Silber und zwei Mal Bronze unter den eigenen Ansprüchen; in Erinnerung bleibt aber vor allem der Disqualifikations-Skandal um die Anzüge von fünf Springerinnen, darunter auch Katharina Althaus, im Teamspringen.
Im Biathlon glänzte nur Denise Herrmann mit Einzel-Gold und Staffel-Silber - die Männer rannten vergeblich einem Podiumsplatz hinterher. Die vor allem aus Bayern rekrutierten alpinen Skisportler schafften zum Schluss wenigstens eine Silbermedaille im Teamwettbewerb - bis dahin fielen die Ergebnisse fast so schlecht aus wie die Werte von Markus Söders CSU bei der letzten Bundestagswahl.
Eisschnelllaufen und Shorttrack sind am Nullpunkt, und mangels Nachwuchs ist kaum Hoffnung im Sicht, so dass Claudia Pechstein mit fast 50 Jahren noch einmal ran durfte. Aber auch in den jungen Eventsportarten - deren Eingliederung die Zukunft der Olympischen Winterspiele sichern soll - liefen, sprangen und flogen die deutschen Teilnehmer hinterher.
Nichts zu holen gab es im Eiskunstlaufen. Nach dem Pyeongchang-Gold von Aljona Savchenko/Bruno Massot schafften Minerva Hase und der von einer Corona-Quarantäne geschwächte Nolan Seegert nur Platz 16 im Paarlauf. Im Eishockey träumten die deutschen Männer von Gold und wurden Zehnte, während die Frauen sich gar nicht qualifiziert hatten. Im Curling war Deutschland überhaupt nicht dabei.
Unter dem Strich war denn auch die deutsche Medaillenausbeute niedriger als vier Jahre zuvor: 12 statt 14 Mal Gold und insgesamt 27 statt 31 Medaillen, obwohl das olympische Programm in Peking um sieben Wettbewerbe erweitert wurde. Auch die Russen, die nach dem Dopingskandal 2014 erneut ohne eigene Flagge und Hymne antreten mussten, lagen in der Gesamtzahl der Medaillen mit 31 vor den Deutschen. Norwegen hingegen verteidigte nicht nur seinen Spitzenplatz als olympische Wintersport-Nation Nummer eins, sondern schaffte sogar ein Rekordergebnis mit 16 goldenen, acht silbernen und 13 bronzenen Medaillen.
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2022-02-19
Süddeutsche Zeitung
2022-02-19
dpa
2022-02-20
dpa
2022-02-21
Tagesspiegel
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